Versuchstierstatistik
Müssen Tierversuche genehmigt werden?
Die Durchführung von Tierversuchen in Deutschland ist rechtlich streng geregelt. Grundlage hierfür sind Artikel 20a des Grundgesetzes, das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Versuchstierverordnung. Wer Tierversuche durchführen will, muss vorab eine Genehmigung bei der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes einholen. Der Antrag auf Genehmigung eines Tierversuches ist sehr umfangreich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen im Antrag genau beschreiben, zu welchem Zweck der Tierversuch durchgeführt werden soll, welche Methoden verwendet werden und wie hoch die Belastung der Tiere eingeschätzt wird. Darüber hinaus müssen die Anzahl und Art der verwendeten Tiere begründet werden und erklärt werden, was mit den Tieren nach Versuchsende geschieht. Außerdem muss das Personal, welches die Tierversuche durchführt und sich um die Haltung der Tiere kümmert, die entsprechenden Voraussetzungen und Erfahrungen nachweisen. Die zuständige Behörde wird bei der Entscheidung über die Genehmigung eines Tierversuches von einer Kommission unterstützt.
Wo finde ich Informationen zu genehmigten Tierversuchen?
Sobald ein Tierversuch genehmigt wird, muss eine allgemeinverständliche Zusammenfassung des Vorhabens veröffentlicht werden. Diese enthält Angaben zum Versuchszweck, zur Art und Anzahl der Tiere und zu den erwarteten Belastungen durch die Versuche. Außerdem wird beschrieben, welche Maßnahmen getroffen wurden, um die Zahl der verwendeten Tiere zu verringern und das Wohl der Versuchstiere vor, während und nach dem Versuch zu verbessern.
Das BfR veröffentlicht diese Zusammenfassungen in der durchsuchbaren Datenbank AnimalTestInfo. Die Seite enthält einen Eintrag für jeden Tierversuch, der im normalen Verfahren in Deutschland genehmigt wurde. Auch bereits abgeschlossene Tierversuche können auf AnimalTestInfo recherchiert werden. Die Tierzahlen und Belastungsangaben, die auf AnimalTestInfo veröffentlicht werden, sind dabei als Obergrenzen zu verstehen.
Wie viele Tiere werden tatsächlich in Versuchen eingesetzt?
Die tatsächlichen Zahlen über die verwendeten Versuchstiere und deren Belastung werden jährlich gesondert erfasst und statistisch aufbereitet.
Die aktuellen Versuchstierzahlen für Deutschland finden Sie hier.
Auf nationaler Ebene ist die jährliche Meldung der Versuchstiere in der Versuchstiermeldeverordnung geregelt, die auf den Vorgaben des Durchführungsbeschlusses 2020/569/EU Anhang III beruht. Wer Tierversuche durchgeführt hat, muss zunächst der zuständigen Behörde Meldung erstatten. Seit 2021 melden die zuständigen Behörden die Zahlen anschließend dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die Meldungen enthalten unter anderem Informationen über die verwendeten Tierarten, den tatsächlichen Schweregrad der Versuche und den Versuchszweck. Darüber hinaus erhalten sie Informationen zur Verwendung von genetisch veränderten Tieren und zur Anzahl der Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken getötet, aber nicht im Tierversuch verwendet wurden. Die Zahlen der Jahre 2009 bis 2019 können auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft abgerufen werden (hier).
Wo finde ich Informationen zu Versuchstierzahlen anderer EU-Mitgliedstaaten?
Die für Deutschland erhobenen Versuchstierzahlen werden darüber hinaus der Europäischen Kommission gemeldet. Diese veröffentlicht die Versuchstierdaten aller EU-Mitgliedstaaten in der Datenbank ALURES. ALURES setzt sich aus 3 Teilen zusammen: Teil 1 umfasst die Versuchstiere, die zum ersten Mal in einem Versuch verwendet wurden. Teil 2 gibt eine Übersicht über die Summe der erstmaligen und erneuten Verwendungen von Tieren. Teil 3 befasst sich mit genetisch veränderten Tieren, die für die Generierung von neuen Tierlinien oder die Aufrechterhaltung von bestehenden Linien verwendet wurden.
Zusätzlich müssen die EU-Mitgliedstaaten alle 5 Jahre erheben, wie viele Tiere für Versuche gezüchtet, aber nicht in Tierversuchen eingesetzt wurden. Diese Zahlen wurden erstmals für das Berichtsjahr 2017 erfasst und im Statistik Report der EU Kommission veröffentlicht. Die EU nimmt damit eine führende Rolle ein, transparent über Tierversuche zu berichten1. Die Statistik zeigt, dass im Jahr 2017 EU-weit 12,5 Mio. Tiere nicht in Tierversuchen verwendet wurden, da sie z. B. ausschließlich zur Zucht eingesetzt wurden, nicht das richtige Gen exprimierten, nicht das gewünschte Geschlecht besaßen oder für die wissenschaftliche Verwendung ihrer Organe oder Gewebe getötet wurden. Davon waren 83 % Mäuse, 10 % Fische und 4 % Ratten betroffen. Im Vergleich dazu werden jährlich in der EU durchschnittlich 9,5 Mio. Tiere in Tierversuchen eingesetzt. Das zeigt, wie wichtig es ist, Strategien zu entwickeln, um die Zahl der sogenannten überzähligen Tiere zu verringern. Ein Ansatz ist beispielsweise die Verbesserung des Zuchtmanagements2 oder eine sorgfältige Studienplanung³, unterstützt durch eine Präregistrierung4. Darüber hinaus müssen auch die Bedingungen der Versuchstiere außerhalb des Experimentes verbessert werden.5
Seit 2022 veröffentlicht das Bf3R im Rahmen der jährlichen Versuchstierstatistik auch die Anzahl der Tiere, die zwar für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet, aber nicht für solche Zwecke eingesetzt wurden und im entsprechenden Berichtsjahr getötet wurden.
2 z. B. https://nc3rs.org.uk/colony-management-best-practice
3 The fate of surplus laboratory animals. Wewetzer et al. 2023 EMBO Reports https://doi.org/10.15252/embr.202256551