Zulassung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel

In der Europäischen Union dürfen genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel erst in Verkehr gebracht werden, nachdem sie ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Dieses Verfahren wird durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 festgelegt.

Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 besagt, dass eine Zulassung nur dann erteilt werden kann, wenn die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch, Tier oder die Umwelt haben und den Verbraucher oder Anwender nicht irreführen. Außerdem dürfen sich die Produkte von vergleichbaren Erzeugnissen, die sie ersetzen sollen, nicht so unterscheiden, dass ihr normaler Verzehr Ernährungsmängel für Mensch oder Tier mit sich brächte. Futtermittel dürfen die spezifischen Merkmale der aus den mit ihnen gefütterten Tieren gewonnenen Erzeugnisse nicht so beeinträchtigen, dass sie den Verbraucher schädigen oder irreführen.

Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel

Um eine Zulassung für das Inverkehrbringen zu erhalten, muss zunächst ein Antrag bei einer zuständigen nationalen Behörde eines EU-Mitgliedstaates eingereicht werden. Die nationale Behörde leitet anschließend die Antragsunterlagen an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weiter.

Aufgabe der EFSA ist es, anhand der dem Antrag beigefügten Unterlagen zu prüfen, ob das Produkt den Anforderungen an das Inverkehrbringen und an die Kennzeichnung nach Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 entspricht.

Die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten werden an der Sicherheitsbewertung durch die EFSA beteiligt und können Kommentare dazu abgeben. In Deutschland ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur „Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik und zur Änderung der Neuartigen Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung“ das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige deutsche Behörde für die Übermittlung der nationalen Kommentare, die im Benehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstellt werden. Zudem holt das BVL Stellungnahmen des BfR und des Julius Kühn-Institus (JKI) ein.

Die Zulassung für das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel wird von der Europäischen Kommission erteilt. Hierfür bereitet die Kommission unter Berücksichtigung der Stellungnahme der EFSA einen Entscheidungsentwurf vor, für dessen Verabschiedung eine qualifizierte Mehrheit in dem mit Vertretern der Mitgliedsstaaten besetzten Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit notwendig ist.

Sicherheitsbewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel

Die Sicherheitsbewertung der von genetisch veränderten Organismen (GVO) stammenden Lebens- und Futtermittel erfolgt auf der Grundlage von wissenschaftlichen Studien, die zusammen mit dem Antrag auf Zulassung eingereicht werden müssen. Umfang und Art der erforderlichen Studien sowie die zu verwendenden Prüfverfahren werden durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 503/2013 geregelt. Sie basiert auf dem Vergleich des GVO mit dem konventionellen Ausgangsorganismus. Dazu gehört die Charakterisierung der genetischen Modifikation und der daraus resultierenden neuen Proteine sowie eine vergleichende Analyse der für den jeweiligen Organismus relevanten nutritiven, anti-nutritiven sowie endogenen toxischen oder allergenen Inhaltsstoffe. Dadurch kann überprüft werden, ob durch die genetische Modifikation zu unbeabsichtigten Veränderungen in der Zusammensetzung des Lebens- bzw. Futtermittel führt.

Werden im Vergleich mit dem konventionellen Ausgangsorganismus Unterschiede in der Zusammensetzung festgestellt, wird in Abhängigkeit von deren Art und Umfang entschieden, welche weitergehenden Untersuchungen notwendig sind, um zu belegen, dass die aus GVO hergestellten Produkte ebenso sicher sind wie vergleichbare konventionelle Erzeugnisse. Unabhängig hiervon müssen in der Regel Fütterungsstudien an Nagetieren mit dem genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittel vorgelegt werden, um gegebenenfalls auch unerwartete schädliche Wirkungen erkennen zu können.

Liegen neue Erkenntnisse vor, die darauf schließen lassen, dass ein rechtmäßig auf den Markt gebrachtes, genetisch veränderteres Lebens- oder Futtermittel wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder die Umwelt darstellt, kann der Handel mit diesem Produkt ausgesetzt oder mit besonderen Bedingungen versehen werden.

Kennzeichnungsvorschriften für genetisch veränderte Lebensmittels- und Futtermittel

Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sieht vor, dass Verbraucher durch entsprechende Kennzeichnungshinweise darüber informiert werden müssen, wenn sich genetisch veränderte Lebens- oder Futtermittel hinsichtlich

  • der Zusammensetzung, des Nährwerts oder der nutritiven Wirkungen sowie des Verwendungszwecks;
  • der Auswirkungen auf die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. bestimmter Tierarten oder -kategorien;
  • ethischer oder religiöser Bedenken,

von vergleichbaren konventionellen Erzeugnissen unterscheiden.

Des Weiteren muss anhand der Etikettierung erkennbar sein, dass es sich um ein genetisch verändertes Lebens- oder Futtermittel handelt.

Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sieht, unabhängig von der Nachweisbarkeit der genetischen Veränderung, den Hinweis „genetisch verändert“ oder „aus genetisch verändertem (z. B. Mais) hergestellt“ auf dem Etikett für alle aus GVO stammenden Lebens- und Futtermittel vor. Somit sind z. B. auch raffinierte Speiseöle aus genetisch verändertem Raps kennzeichnungspflichtig, die sich von konventionellem Raps analytisch nicht unterscheiden lassen.

Der geltende Schwellenwert für eine Kennzeichnung liegt bei einem GVO-Anteil von 0,9 %. Unterhalb dessen ist eine Kennzeichnung nicht erforderlich, vorausgesetzt, es handelt sich um nachweislich zufällige oder technisch unvermeidbare Spuren von GVO, die beim Anbau, Transport oder während der Verarbeitung in das Produkt gelangt sind. Bei zusammengesetzten Lebensmitteln bezieht sich der Schwellenwert stets auf den GVO-Anteil in den Einzelzutaten.

Produkte von Tieren, die mithilfe von genetisch veränderten Futtermitteln gewonnen wurden, sind dagegen nicht kennzeichnungspflichtig.

Kennzeichnung mit dem Hinweis "ohne Gentechnik"

Die freiwillige Kennzeichnung von Lebensmitteln, bei deren Herstellung auf die "Anwendung gentechnischer Verfahren" verzichtet wurde, wird in Deutschland durch das EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz (EGGenTDurchfG) geregelt.

Der Kennzeichnungshinweis "ohne Gentechnik" darf nur verwendet werden, wenn das Lebensmittel und die verwendeten Lebensmittelzutaten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel fallen. Dies gilt auch für zufällige oder technisch unvermeidbare Spuren von genetisch veränderten (GVO), die bis zu einem GVO-Anteil von 0,9 % von den Kennzeichnungsvorschriften nach Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ausgenommen sind. Darüber hinaus dürfen bei der Herstellung des Lebensmittels keine Zutaten, Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromen, Vitamine, Aminosäuren oder Enzyme verwendet werden, die mithilfe von GVO hergestellt wurden.

Tierische Lebensmittel, wie Fleisch, Eier oder Milch, dürfen mit der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" versehen werden, wenn die produzierenden Tiere in einem bestimmten Zeitraum vor der Erzeugung des Lebensmittels nicht mit einem genetisch veränderten Futtermittel, das den Kennzeichnungsvorschriften nach Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 unterliegt, gefüttert worden sind. Futtermittelzusatzstoffe, die mithilfe genetisch veränderter Mikroorganismen hergestellt wurden, dürfen jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden.

Rückverfolgbarkeit

Die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 sieht Maßnahmen zur Rückverfolgbarkeit vor, um die für GVO vorgeschriebene Kennzeichnung, die Beobachtung der Auswirkungen auf die Umwelt und gegebenenfalls auf die Gesundheit, sowie, falls erforderlich, die Rücknahme von aus GVO hergestellten Lebens- und Futtermittel vom Markt zu erleichtern. Die Kommission hat hierfür mit der Verordnung (EG) Nr. 65/2004 ein System zur Erstellung und Zuteilung spezifischer Erkennungsmarker für jeden GVO festgelegt. Die am Inverkehrbringen Beteiligten müssen Systeme und standardisierte Verfahren etablieren, mittels derer die Angaben zu den GVO über einen Zeitraum von fünf Jahren gespeichert werden können.

Neben einem Kennzeichnungsvorschlag müssen mit dem Zulassungsantrag die zur Kontrolle der Kennzeichnungsvorschriften sowie der Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit - in Deutschland durch die zuständigen Überwachungsbehörden der Bundesländer - notwendigen Nachweisverfahren sowie Referenzmaterial übermittelt werden.

Die Erprobung und Evaluierung der Nachweisverfahren obliegt der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC), die zu diesem Zweck bereits im Dezember 2002 ein Europäisches Netzwerk von GVO-Laboratorien (ENGL) etabliert hat. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dessen Mitarbeiter schon 1995 mit der Entwicklung von Nachweismethoden für genetisch veränderte Lebensmittel begonnen haben, ist eines der Gründungsmitglieder dieses Netzwerkes.

Mit der internationalen Standardisierung von Methoden zum Nachweis von Lebensmitteln, die aus GVO hergestellt wurden, und zur Quantifizierung des aus GVO stammenden Materials befassen sich Arbeitsgruppen der Deutschen und Europäischen Normungsinstitute DIN und CEN unter Federführung und Mitarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des BfR.

Neue molekularbiologische Techniken (NMT)

Unter den Sammelbegriffen „Neue molekularbiologische Techniken (NMT)“ oder auch „Neue Züchtungstechniken (NZT)“ werden moderne gentechnische Methoden zusammengefasst, die im Gegensatz zu den herkömmlichen Verfahren gezielte Eingriffe am Erbgut von Organismen ermöglichen (z. B. Genome Editing). NMT können eingesetzt werden, um unterschiedliche Arten von genetischen Modifikationen zu erzeugen. In manchen Fällen kann analytisch nicht unterschieden werden, ob die Veränderung auf natürliche Weise entstanden ist oder gezielt durch NMT herbeigeführt wurde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die vorhandene Erbinformation lediglich „umgeschrieben“ wurde und kein Einbau von artfremder DNA stattgefunden hat. Darüber hinaus können bestimmte Veränderungen des Erbguts sowohl durch NMT als auch durch sogenannte klassische Mutageneseverfahren (z. B. strahlen- oder chemikalieninduzierte Mutagenese) herbeigeführt werden, weshalb auch hier eine Unterscheidung mit analytischen Methoden nicht immer möglich ist. Aufgrund einer Ausnahmeregelung im EU-Gentechnikrecht sind die klassischen Mutageneseverfahren bisher von der Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht ausgenommen.

Im Jahr 2018 befasste sich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit der Frage, ob durch Mutagenese gewonnene Organismen als GVO anzusehen sind und grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie (Richtlinie  2001/18/EG) vorgesehenen Verpflichtungen unterliegen. Die resultierende Entscheidung des EuGH vom 25. Juli 2018 besagt, dass Organismen, die mittels Mutagenese erzeugt werden, GVO im Sinne der GVO-Richtlinie sind, wobei jedoch klassische Mutagenese-Verfahren, die seit langem als sicher gelten, weiterhin von den Verpflichtungen der GVO-Richtlinie ausgenommen sind. Die Ausnahmeregelung kann jedoch nicht für NMT angewendet werden, weshalb Lebens- und Futtermittel aus GVO, die mithilfe von NMT hergestellt wurden, ebenfalls einer Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht unterliegen.






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