Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht unkritisch eingenommen werden

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das unter anderem an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus im Körper beteiligt ist. Melatonin ist als Wirkstoff in verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, z. B. zur zeitlich begrenzten Behandlung von Schlafstörungen für bestimmte Patientengruppen, zugelassen. Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit dem Inhaltsstoff Melatonin werden auch von Herstellern als vermeintlich unbedenkliche Einschlafhilfe vermarktet. Das Produktspektrum melatoninhaltiger NEM im Handel hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Mögliche gesundheitliche Risiken, die insbesondere mit einer langfristigen Einnahme melatoninhaltiger NEM verbunden sein können, wurden bisher nur unzureichend wissenschaftlich untersucht. Was darüber bekannt ist und welche Fragen noch offen sind, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in den folgenden Fragen und Antworten zusammengefasst.

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Wie unterscheiden sich verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Melatonin von melatoninhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln?

Generell dienen Arzneimittel dem Zweck der medizinischen Therapie, Diagnostik oder der Verhütung bestimmter krankhafter Veränderungen. Melatonin wird als Wirkstoff in bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verwendet. Die Zulassung dieser Arzneimittel ist in der EU an klare Indikationen geknüpft, die insbesondere die zu behandelnden Patientengruppen oder Beschränkungen hinsichtlich der Dauer der Anwendung umfassen (siehe vorherige Frage). Die Verschreibung melatoninhaltiger Arzneimittel erfolgt im Rahmen einer gesundheitlichen Nutzen-Risiko-Abwägung durch die Ärztin bzw. den Arzt, wonach ggf. auch mögliche gesundheitlich unerwünschte Effekte von Melatonin in Kauf genommen werden.

Neben den Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Melatonin, deren Verordnung ärztliche Aufgabe ist, werden seit einigen Jahren auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit dem Inhaltsstoff Melatonin vermarktet. Melatoninhaltige NEM sollen laut Herstellern das Einschlafen erleichtern und den Schlaf verbessern. Das Produktspektrum dieser in Drogerien, Apotheken und im Online-Handel in verschiedenen Darreichungsformen (Kapseln, Tropfen, Spray, Pulver, Weichgummi) erhältlichen NEM hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

 

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung gesunder Personen zu ergänzen. Sie müssen somit auch für Verbraucherinnen und Verbraucher (bei eigenständiger Verwendung, auch ohne ärztliche Überwachung) sicher sein. Sie unterliegen im Gegensatz zu Arzneimitteln jedoch keiner generellen Zulassungspflicht und werden somit nicht auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit für die Allgemeinbevölkerung geprüft. Auch existieren in der Regel bislang keine gesetzlich festgelegten Höchstmengen für Inhaltsstoffe wie Melatonin in NEM – für die Sicherheit des NEM ist der Hersteller verantwortlich.

Mit Blick auf die Melatonindosis ist festzustellen, dass unter den melatoninhaltigen NEM auch bestimmte Produkte im Handel sind, deren Melatoningehalt, bezogen auf die vom Hersteller empfohlene Tagesdosis, der üblichen Dosierung verschreibungspflichtiger melatoninhaltiger Medikamente entspricht oder diese sogar übersteigt.

Des Weiteren ist die Einnahmedauer von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Melatonin bei Erwachsenen auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt und erfolgt unter ärztlicher Kontrolle des Therapieverlaufs und -erfolgs. Über die Verwendung freiverkäuflicher melatoninhaltiger NEM, d. h. über die Dosis sowie Häufigkeit und Dauer der Einnahme, entscheiden hingegen Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist daher davon auszugehen, dass Personen mit Ein- oder Durchschlafproblemen melatoninhaltige NEM auch langfristig unkontrolliert einnehmen. Damit bleiben nicht nur mögliche andere Ursachen für die Schlafprobleme unbehandelt, auch erhöht sich bei langfristiger Einnahme das Risiko möglicher unerwünschter gesundheitlicher Wirkungen. Konkrete Daten zu den Einnahmegewohnheiten melatoninhaltiger NEM in der Bevölkerung liegen dem BfR derzeit nicht vor.

Das BfR weist zudem darauf hin, dass melatoninhaltigen NEM häufig weitere Substanzen zugesetzt sind, denen z. B. entspannende Wirkungen zugeschrieben werden. Dabei handelt es sich vielfach um pflanzliche Extrakte, beispielsweise von Baldrian, Melisse, Hopfen, Passionsblume, Ashwagandha oder Lavendel. Auch NEM, in denen Melatonin mit Cannabidiol oder L-Tryptophan kombiniert wird, sind auf dem Markt identifiziert worden. Aufgrund theoretischer Überlegungen sind Kombinationswirkungen (z. B. verstärkte schlaffördernde Wirkung oder Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit) dieser Substanzen mit Melatonin möglich und geben Anlass zur Vorsicht.

Was ist Melatonin?

Melatonin ist ein Hormon, das der menschliche Körper selbst bildet, vor allem in der Zirbeldrüse des Gehirns (Epiphyse) sowie in bestimmten Zellen des Verdauungstraktes und der Netzhaut. Als Ausgangstoffe in dem mehrstufigen Prozess dienen die Aminosäure L-Tryptophan bzw. der Neurotransmitter Serotonin. Das Besondere bei diesem Vorgang: Fällt Tageslicht auf die Netzhaut, wird die Bildung von Melatonin gehemmt, Dunkelheit in der Nacht regt die Ausschüttung an. Die Konzentration von Melatonin im Blutplasma unterliegt aus diesem Grund einem ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus: Am Abend beginnt die Melatoninkonzentration langsam anzusteigen, erreicht gegen drei Uhr in der Nacht ihren Höhepunkt und fällt dann bis zum Morgen langsam wieder ab. Von Mensch zu Mensch gibt es Unterschiede hinsichtlich des körpereigenen natürlichen Konzentrationsverlaufs des Hormons, was unter anderem vom individuellen Alter, der Entwicklungsphase und dem biologischen Chronotyp beeinflusst wird.  

Melatonin spielt infolgedessen eine wesentliche Rolle bei der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus (des zirkadianen Rhythmus) und der Regulation des Schlafes. Außerdem wirkt es an anderen tagesrhythmischen Vorgängen mit, etwa der Regulation der Körpertemperatur oder der Ausschüttung anderer Hormone. Schließlich bestehen Hinweise auf immunmodulierende Eigenschaften des Hormons sowie auf eine Beteiligung an der Regulierung des Blutdrucks sowie des Blutzuckerspiegels.

Wozu wird der Wirkstoff Melatonin in Arzneimitteln therapeutisch angewendet?

Aufgrund seiner Bedeutung für die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus ist Melatonin als Wirkstoff in verschreibungspflichtigen Arzneimitteln z. B. zur Behandlung von Schlafstörungen für bestimmte Patientengruppen zugelassen.

In der Europäischen Union sind gemäß European Medicines Agency (EMA) mehrere Medikamente mit dem Wirkstoff Melatonin zugelassen: dazu gehören bestimmte Präparate für die zeitlich begrenzte Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen ab 55 Jahren. Darüber hinaus ist ein Präparat für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwei und 18 Jahren, die von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASD) oder dem Smith-Magenis-Syndrom, einer komplexen genetischen Erkrankung, betroffen sind, zugelassen für die Behandlung von Schlafstörungen, wenn nicht-medikamentöse Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren.

Allerdings können Arzneimittel auch außerhalb ihrer zugelassenen Anwendungsbereiche verschrieben werden, wenn die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt das aus ärztlicher Sicht für medizinisch angezeigt hält.

Was passiert im Körper nach der Aufnahme von Melatonin?

Nach der Aufnahme von Melatonin steigt der Melatonin-Plasmaspiegel im Körper an. Wie stark der Anstieg ist, und wie lange Plasmaspiegel erhöht sind, ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Dies hängt insbesondere mit Unterschieden in der Schnelligkeit des Abbaus von Melatonin über körpereigene Enzyme zusammen. Diese wird u. a. beeinflusst durch das Lebensalter, genetisch bedingte Unterschiede der abbauenden Enzyme oder durch bestimmte Medikamente, sofern diese zusammen mit Melatonin verwendet werden.

Auch die Art der Zubereitung des melatoninhaltigen Präparats (mit schneller oder verzögerter Freisetzung von Melatonin) hat einen Einfluss auf das Konzentrations-Zeit-Profil nach Zufuhr von Melatonin. Studien zeigen, dass beispielsweise der Melatonin-Plasmaspiegel bereits kurz nach der Aufnahme von melatoninhaltigen Präparaten mit sofortiger Melatonin-Freisetzung schnell ansteigt. Durch Präparate mit verzögerter Freisetzung (sogenannte Retard-Präparate) lässt sich einerseits ein langsamerer Anstieg der Melatonin-Plasmaspiegel, aber andererseits eine länger anhaltende relevante Wirkstoffkonzentration im Blut erzielen.

Unter den melatoninhaltigen NEM auf dem Markt finden sich sowohl Produkte, aus denen Melatonin schnell freigesetzt wird, als auch solche mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Das BfR hat auch NEM-Produkte identifiziert, die zwei Formulierungen (1. Phase einer schnellen Freisetzung, 2. Phase einer langsamen Freisetzung) miteinander kombinieren. Hieraus können sich nach Zufuhr der gleichen Tagesdosis an zugeführtem Melatonin bei verschiedenen NEM unterschiedliche Konzentrations-Zeitverläufe von Melatonin im Plasma ergeben. Aus Sicht des BfR fehlen Studien, welche die verschiedenen Formen der Wirkstoff-Freisetzung bezüglich gesundheitlicher Effekte direkt miteinander vergleichen.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass abhängig von der Dosis und der Zubereitung des melatoninhaltigen NEM, auch Melatonin-Plasmakonzentrationen über einen längeren Zeitraum (bis in den Tag nach der Verabreichung hinein) bestehen bleiben können, die die Konzentrationen des natürlichen Konzentrationsverlaufs an Melatonin über den Tag übersteigen.

Melatonin geht aus dem mütterlichen Organismus über die Plazenta oder über die Muttermilch in den frühkindlichen Organismus bzw. den Säugling über. Unter Berücksichtigung einer sehr eingeschränkten Metabolisierungskapazität für Melatonin während der frühkindlichen Entwicklung sowie sehr geringer endogener Melatoninspiegel in den ersten Wochen nach der Geburt kann angenommen werden, dass bei einer Aufnahme von exogenem Melatonin durch die Mutter (abhängig von der Dosis) überhöhte, supraphysiologische Melatoninspiegel im frühkindlichen Organismus bzw. im Säugling erreicht werden können.

Was ist über die gesundheitlichen Risiken von exogen zugeführtem Melatonin bekannt?

Humanstudien mit gesunden erwachsenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die im Zusammenhang mit der Einnahme melatoninhaltiger Präparate durchgeführt wurden, schlossen oft nur eine geringe Anzahl von Probandinnen und Probanden ein und wiesen oft nur eine Studiendauer über einen kurzen Zeitraum auf. In einem erheblichen Anteil der klinischen Studien wurden nur akute (kurzfristige) Effekte untersucht. Zudem ist anzumerken, dass viele der verfügbaren Humanstudien sich auf Aspekte einer möglichen klinischen Wirksamkeit von Melatonin, z. B. bei bestimmten Schlafstörungen, konzentrierten, wobei eine systematische Erfassung und Auswertung zur Verträglichkeit oder zu möglichen unerwünschten Wirkungen nicht immer im Fokus standen. Insbesondere die Studienlage zu möglichen Effekten einer langfristigen Einnahme von Melatonin ist begrenzt.

Zu den häufig beobachteten unerwünschten Wirkungen in Humanstudien mit gesunden Erwachsenen gehörten Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, verringerte subjektive und experimentell ermittelte Aufmerksamkeit, verlängerte Reaktionszeit, Blutdruckabfall, Reduktion der Körpertemperatur, Albträume, Kraftlosigkeit, morgendliche Benommenheit und Gangunsicherheit. Gemäß einzelner Fallberichte verschlimmerte sich bei Menschen mit bestimmten entzündlichen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen, wie z. B. Morbus Crohn, die Symptomatik innerhalb von Tagen oder Wochen nach Beginn der Einnahme von Melatonin. Dies könnte auf einen Einfluss von Melatonin auf das Immunsystem hinweisen. Einige Studien zeigten zudem, dass die Einnahme von Melatonin akut die Regulierung des Blutzuckerspiegels beeinflusst. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine langfristige Einnahme das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erhöhen könnte.

Wenngleich die Datenlage uneinheitlich bzw. limitiert ist, weisen einige Studien an Erwachsenen darauf hin, dass die Zufuhr von Melatonin den Blutspiegel bestimmter körpereigener Hormone, die eine entwicklungs- oder reproduktionsbiologische Bedeutung haben, beeinflussen könnte. Beispielsweise wurde nach einmaliger Gabe von 0,5 mg Melatonin am Nachmittag eine akute Erhöhung der Konzentration des Wachstumshormons GH bei gesunden männlichen Probanden beobachtet.

Bei Kindern und Jugendlichen ohne weitere schwere Begleiterkrankungen, aber mit primären Schlafstörungen, die über einen mehrtägigen Zeitraum täglich Melatonin aufnahmen, wurden in Studien unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel/Benommenheit, Beschwerden des Verdauungstrakts, Kältegefühl oder erhöhter Harndrang als unerwünschte Wirkungen beobachtet, die häufiger in den mit Melatonin behandelten Gruppen als in Placebo- (Vergleichs-) Gruppen auftraten. Auf Basis der gegenwärtigen Datenlage ist momentan ungewiss, inwiefern zugeführtes Melatonin bei Kindern und Jugendlichen einen Einfluss auf die individuelle Entwicklung, z. B. auf das Längenwachstum oder auf die pubertäre Entwicklung, haben könnte.

Wie schätzt das BfR mögliche gesundheitliche Risiken melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ein?

Aus Sicht des BfR fehlen hochwertige klinische Studien zur gesundheitlichen Sicherheit von eingenommenem Melatonin aus melatoninhaltigen NEM, insbesondere bei langfristiger Einnahme. Die Daten aus vorhandenen Studien weisen jedoch auf eine Reihe von möglichen gesundheitlichen Risiken hin und sprechen gegen eine unkritische, unkontrollierte Verwendung von Melatonin in der Allgemeinbevölkerung – vor allem über einen längeren Zeitraum.

Das BfR verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf bestimmte Risikogruppen in der Bevölkerung, die von einer unkontrollierten, nicht ärztlich überwachten Verwendung melatoninhaltiger NEM ausgenommen werden sollten. Dazu zählen Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sowie Personen mit Einschränkungen der Leber- und/oder der Nierenfunktion sowie Personen, die an einer Autoimmunerkrankung oder Epilepsie leiden.

Bei Kindern und Jugendlichen bestehen offene Fragen zur Wirkung von oral zugeführtem Melatonin auf hormonell gesteuerte Prozesse wie etwa das kindliche Längenwachstum oder die pubertäre Entwicklung.

Zu den Menschen, die nur nach Rücksprache mit einem Arzt melatoninhaltige NEM einnehmen sollten, gehören zudem Personen, die bestimmten Arzneimittel (insbesondere gewisse blutdrucksenkende Mittel oder Gerinnungshemmer) einnehmen. Es können Wechselwirkungen auftreten, die im Einzelfall die Wirkung der betreffenden Arzneimittelwirkstoffe bzw. des Melatonins beeinflussen können. Auch Personen, die ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes haben, wird eine ärztliche Beratung vor bzw. Kontrolle während der Verwendung melatoninhaltiger NEM empfohlen. 

Zudem bestehen große Unterschiede in der individuellen Halbwertszeit und in der Höhe erreichter Plasmaspiegel nach Melatoninzufuhr, die insbesondere durch Unterschiede in der Expression oder Aktivität von Enzymen, die am Abbau von Melatonin beteiligt sind, erklärt werden können. Zudem unterscheiden sich verschiedene Altersgruppen in der Kapazität, Melatonin abzubauen: bei Säuglingen und Kleinkindern wird Melatonin nur sehr langsam abgebaut, bei älteren Menschen erfolgt im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen der Abbau tendenziell langsamer. Bei diesen Personen besteht die Gefahr, dass Melatonin dosis- und zeitabhängig im Körper kumuliert, d. h., dass unphysiologisch hohe Blutspiegel an Melatonin erreicht werden, wodurch sich auch das Risiko für unerwünschte Wirkungen, u. a. für eine Störung des zirkadianen Rhythmus, erhöhen könnte.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Auftreten schlafassoziierter (unerwünschter) Wirkungen, wie beispielsweise Müdigkeit, Benommenheit oder eine verminderte Aufmerksamkeit, bis in den Folgetag nach der letzten Einnahme anhalten können und zum Beispiel die sichere Teilnahme am Straßenverkehr oder die Befähigung, bestimmte Maschinen/Geräte zu bedienen, erschweren können.

Wie schätzt das BfR die Anwendung von melatoninhaltigen NEM bei Kindern und Jugendlichen ein?

Aus Sicht des BfR sollten melatoninhaltige NEM nicht unkritisch als vermeintlich unbedenkliche Einschlafhilfe für Kinder und Jugendliche angewendet werden. Das BfR stellt fest, dass es sowohl mit Blick auf die Höhe des endogenen Melatoninspiegels als auch hinsichtlich der Verstoffwechselung von Melatonin altersspezifische Unterschiede zwischen Säuglingen, Kleinkindern und Erwachsenen gibt. Der zirkadiane Rhythmus entwickelt sich im ersten Lebensjahr, mit sehr geringen Melatoninspiegeln in den ersten Wochen bis Monaten nach der Geburt; die höchsten nächtlichen Melatonin-Plasmakonzentrationen weisen Kinder zwischen etwa vier und sieben Jahren auf, während die Konzentrationen insbesondere vor Beginn der Pubertät und mit zunehmendem Alter kontinuierlich absinken. Zudem bauen Säuglinge und Kleinkinder Melatonin im Allgemeinen wesentlich langsamer ab als ältere Kinder oder (jüngere) Erwachsene, was bei einer Zufuhr von Melatonin (abhängig von der Dosis und des zeitlichen Abstands zwischen Dosierungen) zu einer Kumulation des Hormons im Körper und damit zu erhöhten gesundheitlichen Risiken führen kann.

Viele Fragen zu den gesundheitlichen Risiken bei Kindern und Jugendlichen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gut untersucht, vor allem zu möglichen Auswirkungen auf hormonelle Prozesse wie das Längenwachstum und die Pubertätsentwicklung. Daher rät das BfR, Kinder und Jugendliche von einer unkontrollierten, nicht ärztlich überwachten Anwendung melatoninhaltiger NEM auszuschließen (s. vorherige Frage). Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen können viele Ursachen haben und sollten daher immer kinderärztlich abgeklärt und begleitet werden.

In diesem Zusammenhang weist das BfR darauf hin, dass melatoninhaltige NEM auch in Form von Gummidrops/Weichgummis erhältlich sind, die zum Teil auch speziell für die Verwendung bei Kindern beworben werden. Solche NEM können von Kindern leicht mit Süßigkeiten verwechselt und versehentlich eingenommen werden.

Im Rahmen einer Pilotstudie, an der das BfR beteiligt war, wurden Anfragen zu NEM bei den deutschen Giftinformationszentren gesammelt. Über einen Zeitraum von 45 Monaten (zwischen den Jahren 2015 und 2019) wurden unter den insgesamt 1500 erfassten Fällen vier Fälle mit melatoninhaltigen NEM bei Kindern registriert. In allen Fällen handelte es sich um eine versehentliche orale Aufnahme. Betroffen waren drei Kleinkinder und ein Schulkind. Für nur zwei Fälle wurden auch klinische Daten übermittelt: zwei Kleinkinder waren zum Zeitpunkt des Anrufs beim Giftinformationszentrum nach Aufnahme einer unklaren Menge von melatoninhaltigen NEM asymptomatisch.

Auswertungen von Meldungen an Giftnotrufzentralen in den USA aus den Jahren 2012 bis 2021 im Zusammenhang mit der Einnahme melatoninhaltiger Präparate ergaben, dass die meisten Fälle gemäß Angaben der meldenden Personen unbeabsichtigt waren und Kinder im Alter von weniger als 5 Jahren betrafen. Bei einem Großteil der gemeldeten Fälle wurden keine oder nur milde Symptome berichtet. Im Gegensatz dazu stehen Einzelfallberichte zu Säuglingen oder Kleinkindern, bei denen schwere körperliche Symptome, zum Teil mit Todesfolge, im zeitlichen Zusammenhang mit der Verabreichung von Melatonin durch betreuende Personen auftraten.

Das BfR weist darauf hin, dass über Verdachtsmeldungen zu Vergiftungen im Wesentlichen mögliche Kurzzeiteffekte (in der Regel nicht Langzeiteffekte einer längerfristigen Aufnahme) erfasst werden. Zudem lässt sich aus einzelnen Fallbeschreibungen aufgrund der oft unzureichenden Dokumentation und der häufigen Beteiligung von anderen Begleitfaktoren wie z. B. von Vorerkrankungen, schwer ein ursächlicher alleiniger Zusammenhang zwischen der Verabreichung von Melatonin und schwerster körperlicher Symptomatik ableiten. Insgesamt geben diese Meldungen dennoch Anlass zur Vorsicht, da sie darauf hinweisen, dass eine leichte Verfügbarkeit von melatoninhaltigen Präparaten im Haushalt das Risiko einer unbeabsichtigten Aufnahme durch Kinder erhöhen und eine unkritische Wahrnehmung von melatoninhaltigen NEM durch betreuende Personen das Potenzial für eine nicht sachgemäße Verabreichung an Kinder bergen kann.

Die unkritische Verwendung melatoninhaltiger NEM ohne ärztliche Abklärung bei Kindern birgt zudem das Risiko, dass zugrundeliegende Ursachen, z. B. für Schlafstörungen bei Kindern, nicht richtig diagnostiziert werden und damit ggf. eine angemessene Behandlung nicht erfolgt bzw. verzögert wird.



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