Fragen und Antworten zu Acrylamid in Lebensmitteln

Aktualisierte FAQ vom 26. August 2024

Grundlegend überarbeitete Fassung der Version vom 24. August 2011

Wenn Lebensmittel erhitzt werden, verändert sich hierbei oft ihre chemische Zusammensetzung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Erhitzen von Lebensmitteln auch mit der Bildung unerwünschter, potenziell gesundheits­schädlicher Stoffe einhergehen. Diese werden allgemein als „hitzebedingte Kontaminanten“ bezeichnet. Verbrannte Lebensmittel weisen aufgrund der vorangegangenen hohen Hitzeeinwirkung oftmals besonders hohe Gehalte solcher Stoffe auf. Eine zu dieser Gruppe gehörende Substanz ist Acrylamid, zu der das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ausgewählte Fragen und Antworten zusammengestellt hat.

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Was ist Acrylamid?

Acrylamid ist eine organische (kohlenstoffhaltige) Verbindung die in Wasser gut löslich ist. In Lebensmitteln entsteht Acrylamid als Nebenprodukt bei der Bräunungsreaktion („Maillard-Reaktion“) beim Backen, Rösten, Grillen, Frittieren und Braten. Bei starker Erhitzung von kohlenhydratreichen Lebensmitteln, die zudem noch einen hohen Gehalt der Aminosäure Asparagin und einen geringen Wassergehalt aufweisen, kommt es zur Bildung größerer Mengen an Acrylamid. Diese beginnt bereits bei Temperaturen ab ca. 120 °C und steigt ab 170-180 °C sprunghaft an.

Acrylamid entsteht allerdings nicht nur bei der Bräunungsreaktion in Lebensmitteln. Die Substanz wird auch als Chemikalie zur Herstellung von Kunststoffen und Farbstoffen eingesetzt. Die industrielle Verwendung von Acrylamid steht jedoch in keinem direkten Zusammenhang mit dem Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln.

Welche Lebensmittel enthalten viel Acrylamid?

Häufig enthalten aus Kartoffeln hergestellte Produkte oder Speisen wie Chips, Kartoffelpuffer, Pommes frites und Bratkartoffeln besonders hohe Gehalte an Acrylamid. Auch Getreideprodukte wie zum Beispiel Knäckebrot, Kräcker, Kekse und Frühstückszerealien können relevante Mengen an Acrylamid enthalten.

Da beim Rösten Acrylamid entsteht, ist auch Kaffee mit Acrylamid belastet. Neuere Untersuchungen im Rahmen der BfR-MEAL-Studie deuten zudem darauf hin, dass Gemüsechips sehr hohe Gehalte an Acrylamid aufweisen können.

Über das Trinkwasser werden dagegen nur sehr geringe Acrylamidmengen aufgenommen

Wieviel Acrylamid nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher auf?

Die Aufnahme über die Nahrung stellt für Verbraucherinnen und Verbraucher die wichtigste Aufnahmequelle für Acrylamid dar. Nach Berechnungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2015 liegt die tägliche Aufnahmemenge über diesen Weg im Bereich zwischen 0,4 bis 1,9 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht (μg/kg KG).

Raucherinnen und Raucher werden durch das Einatmen von Tabakrauch, der ebenfalls Acrylamid enthält, zusätzlich belastet. Man schätzt, dass diese täglich 0,5 bis 2 µg Acrylamid pro kg Körpergewicht aufnehmen.

Wie hoch ist die Belastung des Menschen mit Acrylamid durch andere Quellen als Lebensmittel und Rauchen?

Bislang ist davon auszugehen, dass andere Belastungsquellen vernachlässigbar sind. Für Acrylamid in Kosmetika wurden auf europäischer Ebene Regelungen getroffen, die den Restacrylamidgehalt deutlich beschränken, so dass die Belastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Acrylamid aus kosmetischen Mitteln heute als unerheblich angesehen wird.

Worin besteht die gesundheitsschädigende Wirkung von Acrylamid?

Bei Aufnahme über Lebensmittel wird Acrylamid aus dem Magen-Darm-Trakt absorbiert und in alle Organe verteilt. Die aufgenommene Substanz wird weitgehend verstoffwechselt. Sowohl Acrylamid als auch die im menschlichen Körper gebildeten Stoffwechselprodukte des Acrylamids können die Plazenta passieren und auch in die Muttermilch übergehen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Jahr 2015 eine umfassende Stellungnahme zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch die Aufnahme von Acrylamid aus Lebensmitteln veröffentlicht. Unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten, jedoch vorwiegend auf der Grundlage von tierexperimentellen Studien, wurden erbgutverändernde und krebsauslösende Wirkungen sowie Auswirkungen auf das Nervensystem, die männliche Fortpflanzung und die Embryonalentwicklung beschrieben.

Welche Rolle spielen erbgutverändernde und krebsauslösende Wirkungen beim Menschen?

Bei der Bewertung gesundheitlicher Risiken durch Acrylamid spielen die erbgutverändernden und krebsauslösenden Wirkungen eine wichtige Rolle. Bei Tierstudien wurde Acrylamid nach Aufnahme über die Nahrung fast vollständig im Magen-Darm-Trakt absorbiert und anschließend vor allem in der Leber verstoffwechselt. Dabei entsteht u. a. das Abbauprodukt Glycidamid, das im Vergleich zu Acrylamid eine erhöhte Reaktivität aufweist und sehr schnell an Zellbestandteile wie Proteine und DNA bindet.

Die im Tierversuch an verschiedenen Organen nachgewiesene krebsauslösende Wirkung von Acrylamid wird hauptsächlich auf das Glycidamid zurückgeführt. Glycidamid bindet sich an die DNA und kann so Veränderungen an der DNA-Sequenz (Mutationen) auslösen. Daneben werden die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) sowie nicht-erbgutverändernde (epigenetische) Effekte auf die Steuerung des Zellzyklus als weitere Wirkmechanismen diskutiert. Diese Einschätzung zur erbgutverändernden Wirkung von Acrylamid wurde durch die EFSA in einem weiteren Gutachten aus dem Jahr 2022 unter Berücksichtigung neuerer Daten bestätigt.

Hinsichtlich der erbgutverändernden und krebsauslösenden Wirkungen ist es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich, eine tägliche Aufnahmemenge für Acrylamid zu bestimmen, bei der gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Menschen mit hinreichender Sicherheit nicht zu erwarten sind.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht-neoplastische Effekte beim Menschen auftreten?

Unter „nicht-neoplastischen Effekten“ versteht man Wirkungen, die nicht mit einer Krebsentstehung in Verbindung stehen. Sie können aber ebenfalls gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Bei Acrylamid zählen dazu Wirkungen auf das Nervensystem, auf die männliche Fortpflanzung und auf die Embryonalentwicklung. Sie traten in Tierstudien bei Dosierungen von mehr als 430 µg/kg Körpergewicht und Tag auf.

Solch hohe Mengen werden vom Menschen üblicherweise nicht über die Nahrung aufgenommen, der Durchschnitt liegt beim Menschen im Bereich zwischen 0,4 bis 1,9 μg/kg Körpergewicht (KG) pro Tag (EFSA, 2015). Deshalb sind solche nicht-neoplastischen Effekte beim Menschen nicht zu erwarten.

Stellt die Aufnahme von Acrylamid ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher dar?

Da Acrylamid erbgutverändernde und krebsauslösende Eigenschaften hat, ist es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich, eine tägliche Aufnahmemenge anzugeben, bei der gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Menschen mit hinreichender Sicherheit nicht zu erwarten sind. Daher lässt sich für Acrylamid auch kein gesundheitsbasierter Richtwert (engl. health-based guidance value) als Basis für eine Risikoabschätzung ermitteln.

Wie in der Europäischen Union (EU) in solchen Fällen üblich, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stattdessen in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2015 das sogenannte Margin of Exposure (MOE)-Konzept angewandt (nähere Informationen dazu auf der EFSA-Webseite: https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/margin-exposure). Der MOE ist der Quotient aus einem geeigneten toxikologischen Referenzpunkt und der Exposition gegenüber der Substanz beim Menschen. In dem Gutachten wurde auf der Grundlage von kanzerogenen Effekten im Tiermodell (Maus) ein Referenzpunkt von 0,17 mg/kg Körpergewicht und Tag identifiziert. Ausgehend von diesem Referenzpunkt und der Annahme einer durchschnittlichen Acrylamidaufnahme errechnete die EFSA MOE-Werte von 89 bis 425. Für Verbraucher, die aufgrund ihrer spezifischen Verzehrsgewohnheiten besonders viel Acrylamid aufnehmen, werden MOE-Werte zwischen 50 und 283 angegeben.

Bei erbgutverändernden und krebsauslösenden Substanzen wie Acrylamid wird in der Regel ein MOE von 10.000 oder größer mit Blick auf die öffentliche Gesundheit als wenig bedenklich – allerdings nicht unbedenklich – angesehen. Im Fall von Acrylamid liegen jedoch alle MOE-Werte deutlich unter 10.000. Das Ergebnis der Untersuchung hat die EFSA dazu veranlasst, die insgesamt über die Nahrung aufgenommene Menge an Acrylamid als bedenklich einzustufen.

Die derzeit zu Acrylamid verfügbaren epidemiologischen Daten aus Beobachtungsstudien am Menschen liefern allerdings kein eindeutiges Bild im Hinblick auf einen statistischen Zusammenhang zwischen der ernährungsbedingten Aufnahme von Acrylamid und der Häufigkeit von Krebserkrankungen in der Bevölkerung.

Sind Kinder durch Acrylamid aus Lebensmitteln besonders gefährdet?

Kinder essen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht mehr als Erwachsene. Die Acrylamidbelastung kann daher deutlich höher sein als bei Erwachsenen, sie hängt aber auch bei Kindern stark von den individuellen Essensgewohnheiten ab.

Eine im Jahr 2015 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte Expositionsschätzung kam zu dem Ergebnis, dass Säuglinge, Kleinkinder und Kinder im Durchschnitt eine höhere Acrylamidaufnahme erreichen als Jugendliche, Erwachsene und Senioren.

Da die Acrylamidexposition im Durchschnitt höher ausfällt und Kinder im Allgemeinen eine besonders empfindliche (vulnerable) Bevölkerungsgruppe darstellen, besteht Grund zu der Annahme, dass Kinder einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind als Erwachsene.

Welche Erkenntnisse gibt es über die schädliche Wirkung von Acrylamid während einer Schwangerschaft?

Die vom Menschen über die Nahrung aufgenommenen Mengen an Acrylamid beeinträchtigen nach wissenschaftlicher Einschätzung weder die Embryonal- und Säuglingsentwicklung, noch erhöhen sie das Risiko für Fehlgeburten. Acrylamid hat jedoch erbgutverändernde und krebsauslösende Eigenschaften. Zudem können sowohl Acrylamid als auch die im menschlichen Körper gebildeten Stoffwechselprodukte die Plazenta passieren und auch in die Muttermilch übergehen. Um sich und ihr Kind möglichst wenig zu belasten, sollten Schwangere und Stillende auf eine acrylamidarme Ernährung achten.

Gibt es einen „tolerablen Grenzwert“ für die Aufnahme von Acrylamid?

Bei erbgutverändernden und krebsauslösenden Substanzen wie Acrylamid können selbst geringe Aufnahmemengen, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, mit einer Zunahme gesundheitlicher Risiken verbunden sein. Deshalb ist es für Acrylamid nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich, eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (engl. tolerable daily intake, TDI) oder einen anderen gesundheitsbasierten Richtwert (engl. health-based guidance value) abzuleiten.

Stattdessen greift das in der EU allgemein gültige Minimierungsgebot, mit dem Ziel, die Exposition gegenüber erbgutverändernd und krebsauslösend wirkenden Substanzen so weit zu minimieren, wie dies vernünftigerweise erreichbar ist (ALARA-Prinzip: As Low As Reasonably Achievable; so niedrig wie möglich und angemessen).

Im Sinne des ALARA-Prinzips wurden EU-weite Regelungen zur Acrylamid-Reduzierung in Lebensmitteln aufgestellt. Die festgelegten Richtwerte sind jedoch keine Höchstgehalte, sondern dienen als Leistungsindikatoren zur Überprüfung der Wirksamkeit der Minimierungsmaßnahmen. Sie entsprechen den Gehalten an Acrylamid, die unter Anwendung aller einschlägigen Minimierungsmaßnahmen nach vernünftigem Ermessen erreichbar sind. Da sich diese Richtwerte ausschließlich an der technischen Machbarkeit und nicht an den gesundheitlichen Risiken orientieren, bedeutet eine Unterschreitung des Richtwerts jedoch nicht, dass das betreffende Lebensmittel gänzlich unbedenklich für die menschliche Gesundheit ist.

Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun, um die Acrylamidaufnahme über die Nahrung zu reduzieren?

Der Gehalt an Acrylamid im zubereiteten Lebensmittel hängt stark vom erhitzungsbedingten Bräunungsgrad ab: Je stärker das Lebensmittel gebräunt ist, desto mehr Acrylamid enthält es. Daher sollten Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Verarbeitung von kohlenhydratreichen Lebensmitteln auf schonende Garmethoden achten. „Vergolden statt verkohlen“, lautet die Faustregel. Mit anderen Worten: Das Lebensmittel sollte möglichst nicht über 180 °C und auch nicht länger als nötig erhitzt werden.

Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Aufnahme von Acrylamid durch das Entfernen einer zu stark gebräunten Schicht verringert werden kann. Allerdings können auch moderat gebräunte Lebensmittel bereits hohe Gehalte an Acrylamid aufweisen. Daher ist es in jedem Fall besser, schon im Vorfeld auf eine schonende Zubereitung zu achten, damit es gar nicht erst zu einer verstärkten Bildung von Acrylamid kommt.

Dabei gilt auch: Je mehr Wasser im Lebensmittel enthalten ist, desto weniger Acrylamid entsteht. Dies ist beispielsweise bei vorgekochten Bratkartoffeln der Fall, die im Vergleich zu Bratkartoffeln aus rohen Kartoffelscheiben meist weniger Acrylamid enthalten.

Die Zubereitungsempfehlungen auf den Verpackungen sollten beachtet werden. Grundsätzlich lässt sich das potenzielle Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher verringern, wenn sie der Auswahl von Lebensmitteln die generelle Empfehlung zu Abwechslung und Vielfalt berücksichtigen. Auf diese Weise lassen sich einseitige Belastungen mit den verschiedenen potenziell gesundheitsgefährdenden Stoffen, mit deren vereinzeltem Vorkommen in geringen Mengen in Lebensmitteln gerechnet werden muss, vorbeugen.

Bildet der menschliche Körper auch selbst Acrylamid?

Ein Forschungsteam des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bestätigte in einer Studie eine interessante Entdeckung: Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass Acrylamid auch im Körper selbst entsteht – und zwar in größerem Maße als bislang angenommen. Hierzu haben wir eine separate Mitteilung mit ausführlichen Informationen.

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