Forschung zu Nanomaterialien

Das BfR betreibt eigene Forschung, um die Bewertung gesundheitlicher Risiken von Nanomaterialien sowie die Risikokommunikation zu unterstützen.

Nanomaterialien werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens eingesetzt. Um eine verlässliche Datenbasis zur Beurteilung gesundheitlicher Risiken durch Nanomaterialien zu erhalten, beteiligt sich das BfR an zahlreichen Forschungsvorhaben und initiiert verschiedene eigene Forschungsvorhaben.

Die Nanosicherheitsforschung der letzten Jahrzehnte hat umfangreiche Untersuchungen zu möglichen Risiken von Nanomaterialien für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durchgeführt. Der Fokus lag vor allem auf Nanomaterialien der ersten Generation, die schon länger auf dem Markt sind. Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse wurden detaillierte Leitfäden zur gesundheitlichen Bewertung erarbeitet und intensive Anstrengungen zur Anpassung von Prüfmethoden unternommen. Zukünftige Forschungsvorhaben wenden sich verstärkt neuartigen und komplexeren Materialien zu.

Forschungsstrategie der Bundesoberbehörden zu Nanomaterialien

Das BfR hat bereits im Jahr 2007 zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und dem Umweltbundesamt (UBA) eine Forschungsstrategie zur Ermittlung potenzieller Risiken der Nanotechnologie entwickelt. Ziel war es, den für eine Bewertung möglicher Gesundheitsrisiken bestehenden Forschungsbedarf zu beschreiben und die Entwicklung geeigneter Testverfahren und Bewertungsstrategien zu fördern.

Die Forschungsstrategie wurde im Jahr 2013 unter Einbeziehung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) evaluiert

und im Jahr 2016 für Nanomaterialien und andere innovative Werkstoffe fortgeschrieben.

Die Strategie enthält eine Bilanz der Ergebnisse aus bereits abgeschlossenen Vorhaben und beschreibt laufende Aktivitäten in den Bereichen Charakterisierung, Exposition, toxikologische und ökotoxikologische Wirkungen sowie Risikobewertung und Risikokommunikation.

Forschungsthemen zu Nanomaterialien am BfR

Das BfR beteiligt sich seit vielen Jahren in der Nanosicherheitsforschung mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Es ist in zahlreiche nationale und europäische Drittmittelprojekte eingebunden.

Die BfR-Drittmittelprojekte sind über die BfR Homepage einsehbar – in der Rubrik „Nanotechnologieforschung: Nachweis, Toxikologie, Risikobewertung und Risikowahrnehmung“.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Viele bereits abgeschlossene Projekte befassten sich mit der Etablierung von Untersuchungsmethoden für Nanomaterialien (z. B. QualityNano, NanoGenoTOX, NANoREG, NanoDefine, NANOaers). Ein wichtiger Schwerpunkt lag dabei auf der Etablierung und Erprobung von Ansätzen zur Gruppenbildung (z. B. NanoReg2, nanoGRAVUR, NanoToxClass, InnoMat.Life, GRACIOUS). Dabei werden Nanomaterialien auf Grund nachgewiesener Ähnlichkeiten in Gruppen zusammenfassen, was eine effizientere Bewertung ermöglicht. Einige Projekte unterstützten die Bemühungen auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Anpassung von OECD Prüfrichtlinien (englisch: test guidelines, TGs) an nanospezifische Besonderheiten (z. B. Gov4Nano, NanoHarmony). Verschiedene abgeschlossene Projekt befassten sich zudem mit der gezielten Untersuchung ausgewählter Nanomaterialien wie z.B. Nano-Silber, Nano-Cerdioxid, Nano-Siliziumdioxid, Nano-Titandioxid und Nano-Aluminium (z.B. nanoGEM, SolNanoTox). Weitere Projekte arbeiteten an der Einrichtung von Informations- und Partizipationsplattformen (Nanopinion) und der Entwicklung von Visualisierungstechniken für die zielgruppenspezifische Kommunikation (Seeing Nano). Darüber hinaus wurde unter Federführung des BfR ein Implementierungsnetzwerks für Nano- und innovative Materialien im Rahmen der GO FAIR Initiative etabliert, um die Anwendung der FAIR Prinzipien (Findability/ Auffindbarkeit, Accessibility/ Zugänglichkeit, Interoperability/ Interoperabilität und Reusability/ Wiederverwendbarkeit) im Bereich der Materialsicherheitsforschung zu unterstützen bzw. bekannt zu machen.

Aktuelle Forschungsprojekte

Lebensmittelsicherheit
Aktuelle Forschungsprojekte im Bereich der Lebensmittelsicherheit befassen sich mit der Aufnahme von gezielt hergestellten Nanomaterialien oder auch Gemischen, die Nanopartikel enthalten, über den Darm, dem Transport und den zellulären Effekten, vorwiegend in Darm und Leber. Dabei werden Substanzen wie Lebensmittelfarbstoffe, Nahrungsergänzungsmittel, Futtermittel, Pestizide oder Nanoplastik-Polymere verschiedener lebensmittelrelevanter Materialien untersucht.

Chemikaliensicherheit
Aktuelle Forschungsschwerpunkte im Bereich der Chemikaliensicherheit befassen sich unter anderem mit der Etablierung von sogenannten neuartigen tierversuchsfreien Methoden (englisch: New Approach Methodologies, NAMs), um die Vorhersagbarkeit des toxikologischen Potenzials von Nanomaterialien zu verbessern. Ein weiterer Fokus liegt auf der Untersuchung nanospezifischer Wirkungsmechanismen, vor allem durch Verwendung von Omics-Methoden und deren Datenintegration, um basierend auf einem vertieften mechanistischen Verständnis neue Prüf- und Bewertungsmethoden zu entwickeln.

Im Bereich der Tätowiermittel werden am BfR gegenwärtig die Löslichkeiten verschiedener Pigmente in relevanten Medien (z. B. Schweißsimulanz) untersucht, um daraus erste Rückschlüsse auf ihre Verteilung im menschlichen Körper ziehen zu können.

Zur Bestimmung von Aufnahme und Verteilung von Nanomaterialien in verschiedenen Geweben werden Einzelpartikelanalyseverfahren entwickelt.

Anpassungen von Leitfäden und Richtlinien

Eine wichtige Aktivität ist die aktuell laufende Anpassung von Leitfäden und Richtlinien zur Untersuchung von Nanomaterialien wie z.B. OECD Prüfmethoden (englisch: OECD Test Guidelines, TGs) und Anleitungen (englisch: Guidance Documents, GDs). Dies erfolgt im Rahmen europäischer und internationaler Gremien (z.B. OECD Working Party on Manufactured Nanomaterials, OECD WPMN) und wird durch Aktivitäten verschiedener Forschungsvorhaben unterstützt.

Innovative Materialien und Fertigungstechniken

Neuere BfR-Forschungsprojekte befassen sich bereits verstärkt mit komplexeren Nano- und anderen innovativen Materialien (z.B.  HARMLESS). Im verbrauchernahen Bereich finden zudem Untersuchungen zur Emission von (Nano-)partikeln bei additiven Fertigungsverfahren, wie z. B. 3D-Druck, statt. Hierbei werden freigesetzte Partikel hinsichtlich Form und Größe sowie ihrer chemischen Zusammensetzung charakterisiert. Weiterhin stehen verstärkt mögliche Gesundheitsrisiken durch Mikro- und Nanoplastik im Fokus (POLYRISK).

Etablierung und Erprobung von Neuartigen Methodiken (NAMs) für die Risikobewertung

Die Etablierung von neuartigen Methodiken (englisch: New Approach Methodologies, NAMs) für Nanomaterialien ist darüber hinaus ein wichtiger übergeordneter Forschungsschwerpunkt am BfR. Das von der EFSA finanzierte Verbundprojekt NAMS4NANO ist ein ausgewähltes, aktuelles Forschungsprojekt, an welchem sich mehrere BfR-Fachabteilungen beteiligen. Insgesamt arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Institutionen gemeinsam an dem übergeordneten Ziel, ein tieferes Verständnis zu Möglichkeiten, Herausforderungen und verbleibenden Unsicherheiten bei der Verwendung von NAMs in der Risikobewertung von Nanomaterialien zu gewinnen. Das Projekt umfasst mehrere Teilprojekte. Im ersten Teilprojekt unter Federführung des BfR wurden bislang u.a. ein Übersichtsartikel zu den derzeit verfügbaren NAMs für Nanomaterialien erarbeitet sowie ein detaillierter Vorschlag wie NAMs zukünftig schneller in Bewertungen einsetzbar sind. In einem zweitem Teilprojekt, ebenfalls unter Federführung des BfR, werden ausgewählte/ priorisierte NAMs aktuell in Risikobewertungsfallstudien erprobt. In einem dritten Teilprojekt unter Federführung des Italienischen Nationalen Gesundheitsinstituts (Istituto Superiore di Sanità, ISS) werden einzelne Methodiken weiterentwickelt.

Wahrnehmung der Nanotechnologie in der Öffentlichkeit

Aufgrund der zunehmenden Präsenz von „Nano-Produkten“ im Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern bleibt auch die Frage nach der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber der Nanotechnologie aktuell.

Zur Initiierung eines partizipativen Dialogs zum Thema Nanotechnologie und Nanomaterialien sowie zur Erstellung eines Verbrauchervotums nach einer Expertenanhörung hat das BfR eine Verbraucherkonferenz durchgeführt. Dabei wurden u.a. prioritär abzuklärende Fragestellungen, Besorgnisse von Verbraucherinnen und Verbrauchern und der regulative Umgang mit der Nanotechnologie an Entscheidungsträger aus der Wissenschaft, Industrie und Politik vermittelt.

Link zum Verbrauchervotum

Durch Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen wurde das Technologiefeld Nanotechnologie anhand potenzieller Risiken mittels einer Delphi-Studie vorstrukturiert und damit die Grundlage für zukünftige BfR-Risikobewertungen zu nanotechnologischen Anwendungen gelegt.

Link zu Ergebnissen

Um zu klären, welche Faktoren die individuelle Risikowahrnehmung beeinflussen, welche sozialen Dynamiken beim Thema Nanotechnologie von Bedeutung sind und in welche Richtungen sich die öffentliche Meinungsbildung zur Nanotechnologie entwickeln könnte, wurden repräsentative Bevölkerungsbefragungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt. Für eine unmittelbare Verwertung der Ergebnisse wurde zusätzlich die Frage untersucht, welche Kommunikationsmaßnahmen zur Vermittlung von risikorelevanten Informationen bezüglich der Nanotechnologie besonders geeignet sind, um weite Teile der Bevölkerung besser zu erreichen.

Link zu Ergebnissen

Um die Facetten und die Tonalität der medialen Berichterstattung zur Thematik Nanotechnologie zu analysieren, wurden zudem Medieninhaltsanalysen sowie eine Analyse der Online-Diskussion durchgeführt.

Link zu Ergebnissen

Das BfR wird seine sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte in diesem dynamischen Themengebiet fortsetzen, um weiterhin geeignete Kommunikationsmaßnahmen zur Vermittlung von risikorelevanten Informationen bezüglich der Nanotechnologie zu etablieren.



Wissenschaftsberichte 1





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