Fragen und Antworten zu Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln

FAQ des BfR vom 10.09.2024

Rückstandshöchstgehalte für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf und in pflanzlichen Lebensmitteln werden von der Europäischen Kommission festgelegt und sind europaweit für die jeweilige Kultur/Wirkstoff Kombination gültig. Rückstandshöchstgehalte werden auf Basis von Rückstandsversuchen entsprechend der guten landwirtschaftlichen Praxis ermittelt und sind keine gesundheitlich abgeleiteten Richtwerte, da sie nach dem Prinzip so viel wie nötig und so wenig wie möglich festgelegt werden (ALARA – as low as reasonably achievable).

Im Fall einer außergewöhnlichen Situation können die nationalen Zulassungsbehörden (in Deutschland ist dies das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)) auf Antrag eine Notfallzulassung für eine Kultur/Pflanzenschutzmittel Kombination erteilen. Die Notfallzulassung ist zeitlich befristet. In diesem Ausnahmefall ist es möglich, dass ein für Deutschland festgesetzter Rückstandshöchstgehalt von den auf EU-Ebene gültigen Rückstandshöchstgehalten abweicht.

In Deutschland ist dieser Fall jetzt eingetreten. Es wurde eine Notfallzulassung zur Behandlung von Kernobst wegen Pilzbefalls erteilt, die die Festlegung eines nationalen Rückstandshöchstgehaltes erforderlich macht. Das BfR hat Fragen und Antworten zur gesundheitlichen Bewertung zusammengestellt.

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Was versteht man unter einer Notfallzulassung von Pflanzenschutzmitteln?

Von einer Notfallzulassung spricht man immer dann, wenn zum Schutz der Kulturpflanze die nationalen Zulassungsbehörden in der Europäischen Union in Ausnahmesituationen und für einen begrenzten Zeitraum das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung zulassen, für die keine reguläre Zulassung oder andere Bekämpfungsoptionen bestehen. Eine solche Notfallzulassung wird nur genehmigt, wenn beim Verzehr von Lebensmitteln und den daraus hergestellten weiter verarbeiteten Produkten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind.

Rechtsgrundlage ist Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Verbindung mit § 29 des Pflanzenschutzgesetzes.

Die für Deutschland zuständige Behörde für eine Notfallzulassung ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), vgl. https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Notfallzulassungen/psm_ZugelPSM_notfallzulassungen_node.html.

Inwieweit ist eine Notfallzulassung begrenzt?

Eine Notfallzulassung ist immer zeitlich und mengenmäßig begrenzt. Die Zulassung wird in Abhängigkeit vom Schadorganismenaufkommen erteilt, maximal jedoch für 120 Tage. Sie kann darüber hinaus räumlich begrenzt erteilt werden, etwa nur für betroffene geografische Regionen.

In welcher Situation kann eine Notfallzulassung beantragt werden?

Notfallzulassungen werden immer dann zum Schutz der Kulturpflanze benötigt, wenn das aktuelle Aufkommen bestimmter Schadorganismen mit den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmitteln oder alternativen Verfahren nicht mehr bekämpft werden kann, d.h. sich eine solche Maßnahme angesichts einer anders nicht abzuwehrenden Gefahr als notwendig erweist. Dann kann das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das Inverkehrbringen, das innergemeinschaftliche Verbringen und die Anwendung eines nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels zeitlich begrenzt zulassen. Auch die Anwendung eines bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittels in einer anderen, zuvor nicht zugelassenen Anwendung kann kurzfristig erlaubt werden.

Wer kann eine Notfallzulassung beantragen?

Anträge auf Notfallzulassung können Verbände, Behörden, Firmen und Hersteller von Pflanzenschutzmitteln stellen.

Kann von Lebensmitteln, die mit einem durch eine Notfallzulassung zugelassenen Pflanzenschutzmittel behandelt wurden, ein Gesundheitsrisiko ausgehen?

Auch bei Notfallzulassungen prüft das BVL, ob durch die Anwendung des Pflanzenschutzmittels im Rahmen der Notfallzulassung der auf EU-Ebene in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegte Rückstandshöchstgehalt eingehalten wird. Ist dies der Fall, sind gesundheitliche Beeinträchtigungen für Verbraucherinnen und Verbraucher beim Verzehr von entsprechenden Lebensmitteln nicht zu erwarten. Dies wird für jeden Wirkstoff bei der Festlegung der Rückstandshöchstgehalte auf Europäischer Ebene überprüft.

Können die geltenden Rückstandshöchstgehalte im Einzelfall nicht eingehalten werden, erfolgt eine wissenschaftliche Bewertung der verfügbaren Rückstandsdaten. Dabei wird geprüft, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Rückstände in den Erzeugnissen aus den behandelten Kulturen zu erwarten sind. Hierfür wird regelmäßig das BfR zur Bewertung der Datenlage einbezogen. Nur wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind, ist eine Notfallzulassung möglich.

Besteht ein gesundheitliches Risiko, wenn die im Rahmen einer Notfallzulassung festgelegten Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe im Lebensmittel höher sind als die auf EU-Ebene festgelegten Rückstandshöchstgehalte?

Rückstandshöchstgehalte sind keine gesundheitsbasierten Richtwerte. Sie werden in Rückstandsversuchen mit der jeweiligen Kultur unter den gegebenen klimatischen und geografischen Bedingungen ermittelt. In diesen Versuchen wird nur so viel Pflanzenschutzmittel eingesetzt, wie es für die Wirksamkeit erforderlich ist (gute landwirtschaftliche Praxis). Höchstgehalte werden daher nie höher festgesetzt als es nach guter landwirtschaftlicher Praxis erforderlich ist. Das Motto lautet dabei: so viel wie unter den gegebenen Umständen für den Pflanzenschutz nötig und so wenig wie möglich. Es gilt damit das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable).

In der Regel liegen die so ermittelten Rückstandshöchstgehalte deutlich bzw. zum Teil um ein Vielfaches unter den aus toxikologischen Studien abgeleiteten gesundheitsbasierten Richtwerten ADI (Menge eines Stoffes, die täglich über die gesamte Lebenszeit ohne erkennbares Gesundheitsrisiko oral aufgenommen werden kann) und ARfD (Akute Referenzdosis gibt die geschätzte maximale Menge eines Stoffs an, die im Verlauf eines Tages bei einer Mahlzeit oder bei mehreren Mahlzeiten ohne erkennbares Gesundheitsrisiko mit der Nahrung aufgenommen werden kann). Die Überschreitung eines Rückstandshöchstgehalts stellt somit zwar einen Verstoß gegen geltendes Recht dar, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der nachgewiesene Rückstand auch ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher darstellt.

Vor der Festsetzung eines möglicherweise höheren nationalen Rückstandshöchstgehaltes in Lebensmitteln im Rahmen einer Notfallzulassung wird geprüft, ob auch dieser nicht zu Überschreitungen der gesundheitsbasierten Richtwerte führt. Ein vorläufiger höherer nationaler Rückstandshöchstgehalt kann daher ebenfalls nur dann festgelegt werden, wenn daraus gesundheitliche Risiken nicht zu erwarten sind.

Die im Kontext einer Notfallzulassung von den EU-Rückstandshöchstgehalten abweichenden national zulässigen Rückstandshöchstgehalte gelten nur für den Markt des zulassenden Mitgliedstaates.

Wie wird ermittelt, ob ein gemessener Rückstandshöchstgehalt in Lebensmitteln unterhalb der gesundheitsbasierten Richtwerte liegt oder ob er diese überschreitet?

Grundlage für die Risikobewertung von Pflanzschutzmittelrückständen in Lebensmitteln sind Expositionsdaten. Dabei geht es um die Menge des Pflanzenschutzmittelrückstandes, mit der ein Mensch in Kontakt kommt, also die Aufnahmemenge über Lebensmittel. Diese werden aus den empirisch erhobenen Verzehrsdaten für Deutschland und für Europa zum jeweiligen Lebensmittel errechnet. Das BfR verwendet bei seinen gesundheitlichen Bewertungen in der Regel für Deutschland das Modell der Nationalen Verzehrstudie (NVS) II des Max-Rubner-Instituts. Darüber hinaus stellt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) das Berechnungsmodell „PRIMO“ (Pesticide Residue Intake Model) zur Verfügung, mit dem das akute und chronische Risiko von Pflanzenschutzmittelrückständen auf Basis europäischer Verzehrsdaten berechnet werden kann. Die Modelle enthalten Daten zu den Verzehrgewohnheiten unterschiedlicher Verbrauchergruppen wie Kinder, Frauen, Männer gegliedert nach Altersklassen und Gewicht. Auch die unterschiedlichen Verzehrsmengen (Wenigverzehrer, Normalverzehrer, Vielverzehrer) sind darin enthalten. Auf Basis der hinterlegten Verzehrsmengen der jeweiligen Lebensmittel pro Tag wird dann errechnet, inwieweit durch die Menge der mit dem Lebensmittel tatsächlich aufgenommen Rückstände die gesundheitsbasierten Richtwerte für das jeweilige Pflanzenschutzmittel von den Verbraucherinnen und Verbrauchern ausgeschöpft werden. Aus den Ergebnissen wird das gesundheitliche Risiko abgeleitet und bewertet.

Geht von höheren Rückstandsgehalten in Äpfeln oder Birnen in Folge einer Notfallzulassung für den fungiziden Wirkstoff Folpet in bestimmten Anbaugebieten ein Gesundheitsrisiko aus?

Die auf Grund einer Notfallzulassung für ein deutsches Anbaugebiet notwendigen höheren Rückstandshöchstgehalte wurden vom BfR vor Erteilung der Notfallzulassung bewertet. Da die Ernteprodukte (Äpfel, Birnen) und daraus erzeugte Folgeprodukte nur in Deutschland in Verkehr gebracht werden dürfen, wurde für die Bewertung das Model der deutschen Nationalen Verzehrstudie NVS II verwendet. Das BfR kam in seiner Bewertung zu dem Schluss, dass bei einem Rückstandshöchstgehalt von 6 mg des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Folpet je Kilogramm Äpfel keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Der hier relevante gesundheitliche Richtwert, die Akute Referenzdosis (ARfD) wird nicht überschritten und. Diese Einschätzung gilt auch für Kinder und Vielverzehrer, das heißt Menschen, die täglich sehr viele Äpfel und Apfelprodukte wie Apfelsaft verzehren. 

Theoretisch könnte eine Person von 60 kg innerhalb eines Tages 6 kg Äpfel (ca. 24-40 Äpfel) mit einem Gehalt an Folpet von 6 mg/kg verzehren, ohne dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind.



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